Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 03/2014 - page 10

Gesundheit
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Die Debatte um einen absehbar drohenden oder bereits vorhandenen Ärztemangel in der am-
bulanten Versorgung wird in Thüringen seit Jahren heftig geführt. Und auch künftig ist die
Sicherstellung von Versorgungsqualität und wohnortnahen Angeboten eine zentrale
Fragestellung im Thüringer Gesundheitswesen.
Wie weiter mit weniger Ärzten
in Thüringen?
Trotz zurückgehender Bevölkerungs-
zahl hat der Freistaat aufgrund der de-
mografischen Entwicklung einen
gleichbleibend hohen Bedarf an ambu-
lanter Grundversorgung im haus- und
fachärztlichen Bereich: Nach einer Be-
rechnung des Zentralinstituts für die
Kassenärztliche Versorgung im Auftrag
der Kassenärztlichen Vereinigung Thü-
ringen benötigt der Freistaat im Jahr
2025 fast 1.600 Hausärzte und damit
mehr als heute, um das aktuelle Be-
handlungsniveau zu halten.
Bis dahin geben jedoch mehr als 1.000
Allgemeinmediziner altersbedingt ihre
Praxen ab. Ein Blick auf aktuelle Praxis-
übernahmen sowie Absolventenzahl
und -struktur macht heute schon deut-
lich, dass diese Abgänge nicht annä-
hernd ersetzbar sind.
„Mittelfristig müssen wir also die Ver-
sorgung in Thüringen mit weniger Ärz-
ten organisieren“, erklärt Guido Dressel,
Leiter der Landesvertretung Thüringen
der Techniker Krankenkasse (TK).
„Wenn aus dieser Situation nicht Be-
handlungseinschränkungen und deut-
lich längere Wege für die Patienten re-
sultieren sollen, ist es gerade im
ländlichen Raum notwendig, die Ver-
sorgungsstrukturen zeitnah an die sich
verändernden Rahmenbedingungen an-
zupassen.“
Zu lange habe man im Freistaat das
Thema Ärztemangel mit ausschließli-
chem Ärztebezug diskutiert. Dabei stellt
eine weitestgehende Arztentlastung
durch qualifizierte medizinische Fach-
angestellte einen wesentlichen Lö-
sungsansatz dar. Absehbare Defizite
ärztlicher Versorgung können durch
Delegation und Substitution kompen-
siert werden. Denn ein Teil der bisher
Ärzten vorbehaltenen Aufgaben muss
nicht zwingend auch von einem Arzt
vorgenommen werden, zum Beispiel
Blutdruck messen, Blut abnehmen oder
Verbände wechseln. Dies gilt neben der
ambulanten medizinischen Versorgung
gleichermaßen auch für Krankenhäuser
und den Bereich der Altenpflege.
Entsprechende Modellprojekte gehen
bereits in die richtige Richtung. Idea-
lerweise entstehen mit neuen Berufs-
bildern gerade in strukturschwachen
Gegenden auch neue Chancen für qua-
lifizierte und gut honorierte Jobs. Und
die eigenverantwortliche Tätigkeit er-
höht zudem die Attraktivität der Pflege-
berufe. Guido Dressel: „Schon rein
quantitativ wird künftig nicht alles, was
heute nur ein Arzt leisten darf, von
Thüringer Ärzten noch leistbar sein. Die
Aufwertung nichtärztlicher Fachberufe
oder der Einsatz von Telematik im
Gesundheitswesen ist damit gerade in
Thüringen ein Gebot der Stunde.“
Foto: TK
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