Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 03/2014 - page 6

Thüringen vor der Landtagswahl
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Bodo Ramelow
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5 Fragen an: DIE LINKE.
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Welches sind für Sie Thüringens größte Stärken
in wirtschaftlicher Hinsicht?
In Thüringen haben sich seit der politischen Wende moderne mittel-
ständische und große Firmen angesiedelt oder einheimische Firmen
auf dem Markt etabliert. Neu ausgebaute Verkehrssysteme haben das
Land auch auf Grund der geographischen Lage zu einer Drehscheibe
werden lassen. In einzelnen Bereichen wurden wirtschaftliche Spar-
ten erschlossen, wie zum Beispiel die Solartechnik oder die Optik,
denen die Zukunft gehört. Günstige Standortbedingungen, wie die
vorhandenen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind leis-
tungsfähig und verfügen über ein bedeutendes Innovationspotenzial.
Kleine und mittelständische Unternehmen bilden das wirtschaftli-
che Rückrat des Landes. Gleichfalls steht gut qualifiziertes Human-
kapital zur Verfügung. Weitere Stärken liegen auf dem Gebiet des
Tourismus. Im Land befinden sich Welterbestätten der UNESCO, mit-
telalterliche und barocke Bausubstanz und auch die Wiege des
Bauhauses. Thüringen verfügt nicht nur über einmalige Kunstschätze
und kulturelle Bauten, sondern auch über eine große kulturelle
Tradition.
Wo hat der Freistaat noch die größten Defizite?
Thüringen verfügt bei weitem noch nicht über eine tragfähige wirt-
schaftliche Basis. Gekoppelt ist damit die sich verfestigende Zahl von
Langzeitarbeitslosen. Negativ schlägt vor allem die durch die Lan-
desregierung propagierte Niedriglohnpolitik zu Buche. Neben Verar-
mung verstärkt sie stetig die Abwanderung (täglich verlassen 35
Menschen den Freistaat) und den Fachkräftemangel. Stark reform-
bedürftig ist das gesamte Thüringer Bildungssystem, denn zu viele
Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss oder brechen die Be-
rufsausbildung ab. Große Defizite sehen wir in der jahrelang verfehl-
ten Kommunalpolitik der Landesregierung, insbesondere in der
Finanzausstattung der Kommunen. Nur durch eine umfassende
Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform kann die Handlungs-
fähigkeit der Kommunen wiederhergestellt werden.
Wie soll es nach Ihren Vorstellungen mit der
Energiewende in Thüringen weiter gehen?
Wir betrachten die Energieproblematik als essentielle, ökologische,
wirtschaftliche, soziale und demokratische Frage. DIE LINKE hat ein
Energiekonzept vorgelegt, welches Wege zur Erreichung unseres
Ziels beschreibt: die dezentrale Energieerzeugung und -versorgung
in Thüringen durch einen Mix aus einhundert Prozent regenerativen
Energien. Unser Land besitzt ideale Voraussetzungen, sich mit Wind-
und Wasserkraft, Biomasse, Solartechnik, Holzreichtum und Geother-
mie zu einer Energieregion zu entwickeln und sich damit unabhän-
gig von Energieimporten zu machen. Im Übrigen war die Kommu-
nalisierung des Thüringer EON-Netzes ein erster wesentlicher Schritt
zur Schaffung der Voraussetzungen für die Umsetzung unseres
Energiekonzeptes.
Welche Vorhaben wollen Sie in Sachen
Infrastruktur voranbringen?
Die kommunale Infrastruktur stellt die Grundlage für eine erfolgrei-
che wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung im Freistaat
dar. Damit werden Bedingungen geschaffen für eine erfolgreiche re-
gionale Wirtschaft, Landwirtschaft und den Handel. Gleichzeitig ist
sie Garant für die Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge. Im
Fokus stehen einheimische Unternehmen, Selbständige, Landwirte
und Gewerbetreibende, die in den Mittelpunkt der Infrastrukturför-
derung in Thüringen zu stellen sind. Weitere Vorhaben in Punkto
Infrastruktur richten sich unter anderem auch auf die klassischen
Investitionen in Schulen, in Straßen, in Kindergärten, den Breitband-
ausbau sowie die Bereiche Klimaschutz/ Energie/Solarenergie, Optik,
Medizintechnik, Tourismus und Kultur. Hier liegen kurz- und lang-
fristige Potenziale zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
sowie zur Stärkung und Entwicklung der regionalen Wirtschaft.
Wenn Sie die nächsten fünf Jahre Regierungs-
verantwortung tragen: Was wird sich 2019 im
Vergleich zu 2014 verändert haben?
DIE LINKE. Thüringen ist bereit, für die Durchsetzung von mehr so-
zialer Gerechtigkeit, für höhere Löhne, für eine bessere und für alle
zugängliche Bildung, für eine vielschichtige und weltoffene Kultur
und für mehr Demokratie durch Mitbestimmung und gesellschaftli-
che Teilhabe Verantwortung zu übernehmen – auch durch die Über-
nahme von Regierungsämtern in einer Koalitionsvereinbarung.
Interview: tl, Foto: DIE LINKE.
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